Tag des guten Lebens
06.01.2016 | von Norbert Rost

Als der Sozialwissenschaftler Davide Brocchi 2011 sein Konzept eines "Kölner
Sonntags der Nachhaltigkeit" verfasste, tat er dies vor der
Hintergrundfrage: Wie muss seine Heimatstadt aufgestellt sein, um bei einer
Öl-, Wirtschafts- oder Klimakrise weiterhin gut zu funktionieren? Diese
Frage berührt die Widerstandsfähigkeit von Städten, auch "Resilienz"
genannt. Brocchi ließ sich dabei auch von der Transition-Town-Bewegung
inspirieren, die von Großbritannien kommend dazu anregt, unsere Städte und
Dörfer nachhaltiger zu machen.
Brocchi hatte die Vision, dass viele Kölner sich auf Ebene ihres
Stadtviertels und ihrer Straße mit Nachhaltigkeit befassen und über die
Transformation ihrer Stadt nachdenken. Er wünschte sich einen Tag, an dem
die Straßen leergeräumt sind von Autos und der öffentliche Raum für die
Menschen verfügbar ist, die ihn beleben. 2013 war es dann soweit. Zwar
gelang es ihm nicht, politische Unterstützung für ganz Köln zu erhalten,
aber er hatte 50 Organisationen in ein Netzwerk geholt und die Unterstützung
der Bezirksvertretung Köln-Ehrenfeld gewonnen. In diesem Stadtbezirk fand
dann 2013 auch der erste "Tag des guten Lebens" statt, bei dem die Straßen
tatsächlich frei von Autos waren und die Anwohner ihr Viertel feierten.
100.000 Besucher schätzte die lokale Presse und 2014 und 2015 gab es
Neuauflagen des erfolgreichen Festes.
Im Herbst 2015 veröffentlichte Brocchi nun einen Rückblick auf seine
Erfahrungen. Er beschreibt darin die Entstehungsgeschichte des "Tag des
guten Lebens", schildert Erfolge und Hemmnisse durch die Lokalpolitik,
beschreibt wie Erfolg und Fördergelder die Gruppendynamik im
Organisationsteam beeinflussten und gibt so einen interessanten
sozialwissenschaftlichen Einblick in ein soziokulturelles Experiment.
Aus seinen Erfahrungen ließe sich auch für Dresden lernen. Auch in der
sächsischen Landeshauptstadt gibt es dutzende Vereine, Gruppen und
Initiativen, die sich mit Nachhaltigkeit befassen. Mit dem Umundu-Festival
ist der Gedanke des "Feierns" schon in der Stadt verankert, auch wenn Umundu
bislang nur eine stark begrenzte Zielgruppe erreicht. Die Stadtverwaltung
hat mit dem "Zukunftsstadt"-Prozess ebenfalls eine neue Beschäftigung mit
Nachhaltigkeitsfragen angesetzt, das Klimaschutzbüro diskutiert den
Stadtwandel im Rahmen des Klimawandels und über den Deutschen Städtetag und
Anfang 2016 könnte sich der Stadtrat mit einer Resolution zu den
UN-Milleniumszielen positionieren und somit Nachhaltigkeitsfragen ernet auf
die städtische Agenda setzen. Politisch ist also Bewegung in Dresden. Lernen
ließe sich von Köln und Davide Brocchi. Könnte es auch in Dresden einen "Tag
des guten Lebens" geben?
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